... und Jesus?

Gestern bin ich in den Winterwald gewandert. Die Morgensonne dieses späten Januartages hat versucht, Wärme in die Welt zu senden. Und ich dachte über Fragen nach, die ich in Diskussionen gehört hatte, besonders über die Frage nach Jesus, den Christen als HERRN verehren. Der hatte sein Leben geopfert für die Sünden der Menschen.

Plötzlich hörte ich neben meinen Schritten noch welche. Ich drehte mich zur Seite. Da ging doch tatsächlich der liebe Gott neben mir. "Du - hier?" entfuhr es mir. Denn bisher habe ich den lieben Gott immer in seiner Bude aufgesucht, in unserer Straße, gleich rechts, eine Treppe hoch, 3x klingeln.

"Tach Ekkard!" begrüßte mich der liebe Gott. Dann hat er nach den Kindern gefragt, und wie es uns geht, das Übliche eben. Die Luft war frisch und roch nach feuchtem Laub. Der Weg war durch den Frost hart und die Schritte waren leicht.

"Weißt Du," nahm ich meine Gedanken wieder auf, "viele hier glauben and deinen Sohn Jesus und seinen Opfertod am Kreuz". Die Sonne malte fahle Lichtkringel auf den Weg. Der liebe Gott war stehen geblieben und ich begann zu warten. Wie er so da stand, hat er mich ganz seltsam angesehen, seine Statur wurde kleiner, sein Züge weicher; sein Haar und sein Bart wurden dunkel; nur seine merkwürdigen Augen sind dieselben geblieben.

"Mein Sohn?" hat der liebe Gott gefragt. Der Wald und ich haben gespannt den Atem angehalten.

"Ja", habe ich schließlich gesagt, "wir glauben an ihn und seine Botschaft!" Der liebe Gott hat den Kopf geschüttelt. Dann hat er gemeint: "Siehst du die vielen Wege zwischen den Bäumen?" - "Ja", habe ich gemurmelt.

"Kennst du auch die Wege der Menschen", hat er gefragt. "Kaum!" habe ich geantwortet. Dann hat der liebe Gott eine Pause gemacht, in der ich deutlich seine Tränen gesehen habe.

In die Stille des hohen Waldes hörte ich die klarere Stimme eines jungen Mannes aus ihm, mit der Vibration großer Trauer: "Ich bin sie alle gegangen. Ich habe jedes Leid gesehen und jeden Schmerz gespürt. Ich habe Giftgas geatmet und mein Blut ist aus vielen Wunden gelaufen, und manchmal ließ der Tod auf sich warten. Ich habe am Kreuz gehangen und am Fleischerhaken."

Damit ist der liebe Gott weg gegangen. Aus der Ferne hat er gewunken, und ich habe seine junge, traurige Stimme gehört: "Bis bald"!

Und aus dem Reif sonnenbeschienener Zweige tropften Perlen lebendigen Wassers.

Ekkard Brewig, 26.01.2003