Lichtblick

Das Haus meiner Großeltern strahlte mattrot und sandte - aus der Nähe betrachtet - feine Lichtblitze aus, wenn die Sonne darauf schien. Die Fassaden zierte ein umlaufendes Sims nicht weit von den Fensterbänken im ersten Obergeschoss entfernt. Das Haus versuchte sich vergeblich im Grün der nahen Bäume zu verstecken. Als Wegbeschreibung reichte die Angabe: "Zum roten Haus im Gladbacher Feld".

Daneben reckte ein riesiger Walnussbaum seine Äste zum Himmel. Seine Zweige konnte man von den Zimmern im ersten Obergeschoss aus fast berühren.

(Foto: DPA)

Als ich das Gymnasium besuchte, hatte ich dort für einige Jahre ein Zimmer. Heute mag mein damaliger Fleiß ein Segen sein; damals vermisste ich, Wege, Bäche, Tümpel und die allgegenwärtigen Bimsgruben mit ihren Baggern, Schienensträngen, Loren und Lokomotiven zu erkunden. Meine Gedanken wanderten durch das Fenster in die Weite des Neuwieder Beckens.

Das kleine Glück kam unversehens. Mein kleiner, rotbrauner Besucher musste vom Baum auf das Sims gesprungen, um das halbe Haus herum gelaufen sein und kauerte jetzt in jener Ecke des Fensters, in der er mir beim Arbeiten zusehen konnte, gewissermaßen Aug' in Aug'. Uns trennte nur das Glas des Doppelfensters. Einen Moment lang warteten wir beide überrascht, was der andere tun würde. Ich beugte mich über meine Arbeit und tat fleißig. Beruhigt widmete sich mein Besucher der mitgebrachten Walnuss. Er hockte in seiner Ecke und hielt sie mit beiden Händen. Der buschige, rostbraune Schwanz, aufgerollt zu einem etwas unsymmetrischen S, zitterte vor Anstrengung. Er drehte seine Beute und biss immer und immer wieder zu, bis ein Stück der Schale absplitterte. Nach diesem Anfang war der Besuch bald zu Ende. Der Verzehr der Nuss dauerte weniger als eine Minute. Elegant sprang das Eichhörnchen in die Tiefe und entschwand meinen Blicken. Nur ein Stück leere Schale zeugte noch von der Mahlzeit.

Wenig später huschte mein possierlicher Freund in weiten Sprüngen durch den Garten. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte er noch Proviant mitgenommen.

Ekkard Brewig, 14.10.2007