Aufbruch (Zeit-Myzel, Seite 21)

Ich sehe allerdings nur das eine dort anwesende Tellerauge, das tatsächlich gekaute Blätter auf die Wunden, den gebrochenen Arm und die Stirn der Frau auflegt. Es verlässt die Hütte, und der Knabe sichert den Eingang erneut mit dem Gatter.

Schlagartig wechselt die Szene. Ich sehe, wie ich mit Tellerauge im Morgengrauen den Küstenstreifen entlang nach Norden wandere. Am Himmel vor uns schwirrt ein überdimensionales Heupferd, setzt sich gelegentlich auf einen Baum oder einfach auf den Boden, ruht sich aus und wartet, bis wir schwerfälligen Wanderer endlich die Stelle erreicht haben.

Dann verblasst alles. Das kinematografisch begabte Heupferd hat sich bereits zurückgezogen. Tellerauge wartet schon ungeduldig auf eine kleine Jagd. Aber heute Morgen gibt es nur fette Hundertfüßler für uns. Ich schultere meinen Jagdkorb mit Werkzeugen und einigen Riesenerbsen, hänge mir den Köcher mit den Pfeilen über die andere Schulter und nehme den Bogen in die Hand. Kräftig schreite ich aus. Tellerauge folgt in einigem Abstand, überholt gelegentlich und lässt sich wieder zurückfallen. Links von uns rauscht die Brandung. Irgendwo höre ich Wibra, die Libelle.
Von einem fliegenden Heupferd ist derzeit nichts zu sehen. Sollte mich die Projektion getäuscht haben? - Wir werden sehen!

Wetu Eleanor, aufgeschrieben von Ekkard Brewig am 9. Juli 2007

Die Vorgeschichte der folgenden Episode trägt den Titel Der Weg nach Norden und steht als PDF−Dokument zur Verfügung.

Hitze

Solange ich mich nicht bewege, kann ich es aushalten. Unter uns arbeiten die Hundertfüßler an der Vertilgung der Reste meiner Schlacht mit einem Schwarm von Blutsaugern. Geschwächt, zerstochen und mit einem erheblichen Blutverlust schwanke ich zwischen Schlafen und Wachen. Bilder tauchen auf und vergehen wieder:
Ich fahre mit einem Auto gegen einen Baum. Ich wache in Schweiß gebadet auf. Das Meer rauscht, die Puma-Katze liegt neben mir. Ich springe von einem hohen Brückenpfeiler. Die Katze hat ihren Kopf in die andere Richtung gedreht und schnurrt laut. Ich streiche sacht über ihren Rücken. Ich öffne ein Fenster und springe in eine belebte Straße. Hunderte von Leuten schauen zu. Ein leichter Wind hat sich von See her erhoben. Ich atme durch. Die Katze lässt ihren Kopf hinunter hängen und ist still. Ein Schiff tutet. Reifen quietschen. Etwas prallt gegen mich - es brennt. Ein Puma hat sich über mich gebeugt und - leckt mir durchs Gesicht. Etwas wacher jetzt spüre ich Durst.
Wir klettern beide aus dem Busch, was mir scheußlich weh tut. Wir trinken aus dem nahen Bach. Ich muss mal und gehe ans Meer dafür. Ich spüre einen fast zärtlichen Stups und falle ins Wasser. Im ersten Augenblick brennt das Salzwasser wie Feuer. Doch nach einigen Minuten beruhigen sich die Schmerzen. Anscheinend wirkt das Meerwasser heilend, mindestens aber schmerzlindernd. Ob es im Flachwasser- und Brandungsbereich räuberische Fische gibt? Ich weiß es nicht und will es auch nicht wissen. Die Puma-Dame sitzt ruhig am Ufer und wartet oder passt auf, wie man's nimmt.

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