Erfahrungen, Zeit-Myzel, Seite 71

Den Rest der Nacht verbrachten wir gemeinsam in Claras Hütte. Wir wurden von Talrin geweckt, der Hunger anmeldete. Neben der Hütte im Schatten der Frühsonne schliefen unsere Tiere. Sie hatten sich selbst versorgt. Die letzten, sich rasch verkriechenden Hundertfüßler zeugten davon. Talrin war wohl zu spät aufgewacht, um sich einige von ihnen in den Mund zu stecken.

Da im Augenblick trotzdem keine Gefahr des Verhungerns bestand, gingen wir zuerst einmal zum gemeinsamen Bad im See. Anschließend ließen wir uns in der Sonne trocknen. Talrin tobte mit Claras Leopard herum, bis beide keine Lust mehr hatten und sich mit Scheinangriffen auf dem Boden die Zeit vertrieben.

Clara zeigte mir bei Tageslicht die Pfade, die sie durch das Dickicht offen hielt. Sie pflegte mit erstaunlicher Hartnäckigkeit Verbindungen zwischen einer Reihe von Lichtungen, die durch Bäume der heilenden Blätter freigehalten wurden. Dadurch, dass die Sonne an den Lichtungen und den Pfaden bis fast auf den Boden scheinen konnte, wuchsen hier Unmengen von Beerenfrüchten aller Art; man brauchte nur zuzulangen und wurde in kurzer Zeit satt. Die meisten kannte ich noch nicht. In der Nähe der Lichtungen sah ich auch die Bäume mit den keulenförmigen Früchten, in denen die Riesenerbsen heranreiften. Clara kannte zwar diese Erbsen, mochte sie aber nicht. In diesem Augenblick mischte sich Talrin in unsere Unterhaltung: "Ich möchte sie - jetzt!". Kinder können in dieser Beziehung sehr bestimmend wirken. Ich stellte also meinen Wunsch zurück, von Clara mehr zu den Pfaden zu erfahren, packte mein Seil aus und machte eine Lasso-Schlinge, ließ sie über unseren Köpfen kreisen und sich dann um drei gut erreichbare Schoten zuziehen.

Ein heftiger Ruck und die drei fielen in der Nähe zu Boden. Talrin rannte hin, und ich zog die Früchte zu uns heran, so dass er an seinem Ziel vorbeischoss. "Hey!" schrie er ärgerlich. Kinder verstehen solche Späße noch nicht. Ich ließ sie also ruhen, und er brachte sie eifrig zusammen mit dem Seilende zu uns.

Ich zeigte ihm den Lasso-Trick. Auf diese Weise war Talrin eine Weile beschäftigt. Ich fragte Clara nach den Pfaden: "Wozu hast du die Pfade angelegt?" Die Antwort überraschte mich nicht. "Die Wege dienen mir bei der Jagd. Die gejagten Tiere ziehen sich nach einiger Zeit von den Plätzen zurück, an denen einige von ihnen bereits umgekommen sind." erläuterte sie. "Ich jage deshalb sehr sparsam und gebe den Tieren viel Zeit, ihre Erfahrung zu vergessen. Dass sich entlang der Pfade Beerensträucher ansiedelten, war ein angenehmer Nebeneffekt. So hatten wir immer eine schnelle Früchte-Mahlzeit und mussten nicht über dem Dickicht herum turnen."

Inzwischen hatte Talrin bereits erstaunlich häufig Erfolg mit dem Lasso. Der Erbsenvorrat reichte, um uns eine ganze Woche von nichts anderem zu ernähren. "Genug!" rief ich bestimmt. Talrin blickte unglücklich.

Als die Sonne höher kletterte und damit die Temperatur stark zunahm, zogen sich alle in den Schatten zurück. Clara und ich konnten uns ungestört unterhalten:
Sie bestätigte mir beispielsweise die Erfahrungen mit den großen Moskitos. Sie eränzte: "Diese Schwärme bilden sich nur sehr selten. Es gibt einen Schutz dagegen: Man zieht sich unter einen Baum der heilenden Blätter zurück - noch ein Grund für die Pfade! Die "heilenden Blätter" öffnen bei der Annäherung eines solchen Schwarms einen schmalen Spalt - merkwürdigerweise nie bei einzelnen Insekten.

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