Andere, Zeit-Myzel, Seite 81

Nach dem Desaster mit Claras alter Hütte verlagerten wir unsere Vorräte und sonstigen Utensilien in einen Verschlag, den wir weit oben im Geäst eines Käfigbusches aufgehängt hatten. Talrin, Clara und ich verfolgten jeden Tag die von Clara geschaffenen Pfade durch das Dickicht und hieben mit unseren Stein-Äxten alles ab, was versuchte, die hohen Gänge wieder zu schließen. Zugleich futterten wir von den vielen Beeren, die dort wuchsen. Mehr als einmal mussten wir die fallenden Schlangen vertreiben, die versuchten, Jagd auf uns zu machen. Glücklicherweise waren die Pfade oder besser gesagt: die Gänge im Dickicht so eng, dass die fallenden Schlangen an den Wänden aus Zweigen nicht frei fallen und sich nicht richtig zusammen ringeln konnten. Meist flohen sie nach einem erfolglosen Angriff auf Nimmerwiedersehen.

Wir verbrachten eine Reihe von Tagen damit, zu jagen, Seile zu drehen, Netze zum Sammeln und für die Fliegerei mit den Drachen zu knüpfen sowie Äxte zu schärfen. Die Drachen hielten sich tagsüber meistens irgendwo im Blau des Himmels auf. Sie machten dort Jagd auf die vielen kleineren Luftbewohner. Talrin flog manchmal mit.

Einmal erzählte er uns nach vielen Stunden Abwesenheit: "Mein Drache hat heute Beute von der Krone eines Riesenbaumes 'abgepickt'. Ja - dazu ist er knapp über dem Wald gesegelt. Dann hat er einen kleinen Hüpfer gemacht. - Und dann hat er sich eine kleine Flugechse aus der Baumkrone gekrallt. - Dann hat er sich über dem Wald wieder in die Höhe geschraubt. Oben hat er seine Beute gegessen. Mir hat er auch Fleischstücke zugeworfen." "Und?" fragte ich, "konntest Du sie bei der ganzen Fliegerei fangen?" "Klar!" gab er zurück, als sei das doch selbstverständlich und hob seine Nasenspitze.

Fast beiläufig erzählter er uns: "Im Baum saß ein Mann mit Bogen, der hätte uns fast den Braten weg geschossen oder verjagt." Und ergänzte dann erleichtert: "… ist aber schnell verschwunden, als er uns gesehen hat."

'Menschen auf dem Weg hierher', dachte ich und sah Clara an. Ihr ebenmäßiges Gesicht verfinsterte sich. Ich konnte ahnen, wen sie fürchtete. Ein Mann! Das könnte ihr Verfolger sein, ihr Mörder. Ich fragte, wie alt denn der Mann gewesen sei. Talrin meinte zu mir: "So alt, wie du!". Nun habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, wie alt ich war; denn ich war im Meer plötzlich mit Erinnerungen aufgewacht, die einem Sechzigjährigen Angehörigen einer technischen Zivilisation gehörten. Ich hatte mein Spiegelbild im Wasser gesehen. Biologisch gesehen steckte ich im Körper eines jungen Mannes, etwa so alt wie Klara. Sollte ich tatsächlich auch biologisch jener Wetu Eleanor sein, den Claras Gatte Larkal ermordet hatte? War ich damals tot? Wie wurde ich wieder lebendig und gesund, und wie bin ich ins Meer gekommen?

"In einigen Tagen werden sie hier sein. Bis dahin müssen wir im Dickicht verschwunden sein." So, wie sie den Satz aussprach, klang es wie ein Befehl. Einer von ihren Gängen führte an einem hohen Käfigbusch vorbei, der vom Gang aus nicht zu sehen war. Um unser neues Quartier zu erreichen, mussten wir eine ganze Weile durch und schließlich über das Bodendickicht klettern. Aus dem Käfig heraus hatte man praktisch freie Sicht über etwa 25 Schritte in die Richtung des einzigen Zuganges, enorm viel in dieser Wildnis und ein freies Schussfeld für einen guten Bogenschützen. Clara war in dieser Beziehung nicht zu übertreffen, obwohl ich inzwischen ihre Technik, Bogen und Pfeile herzustellen gelernt hatte. Sie benutzte inzwischen häufig meine Pfeile, weil ich die Federn am Schaft kleiner gemacht und sie so angeordnet hatte, dass sich die Pfeile im Fluge rasend schnell drehten.

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