Zeit-Myzel, Seite 63

Diesmal ging alles gut, und ich sprang auf einen Boden mit dichtem Gras. Vor mit breitete sich ein See aus, von dem ich schätzte, dass man einen reichlichen halben Tag brauchte, um ihn einmal zu Fuß zu umrunden. Der Strand hier bestand aus schmutzigem, mit Schlamm versetztem Sand. Nach 50 Schritten begann ein Saum von dichtem Rohr, in dem es vor lauter kleinen Vögeln schwirrte.

In der anderen Richtung etwa ebenso weit weg stand die Hütte, die ich schon in Schreggs Traumbildern gesehen hatte. Nur Clara oder andere Menschen konnte ich nirgends entdecken. Die Hütte war allerdings deutlich größer als in Schreggs Bildern - oder die Eingangstür war kleiner. Die Wände bestanden aus verflochtenen Stämmen, Ästen und Zweigen. Die Hohlräume waren mit der Mischung aus Sand und Schlamm vom Strand abgedichtet. Das Dach bestand aus Buschwerk, das die ganze Hütte überwucherte. Armdicke, lebende Äste hielten die Wände und trugen das Dach. Oben konnte ich zwischen den Zweigen aufgespannte Tierhäute erkennen, die offenbar als Regenschutz dienten.

Ich ging zur Hütte und warf einen Blick ins Innere. Es gab wenig zu sehen: Zwei längliche Kisten, gefüllt mit Stroh. Tierfelle dienten als Unterlage und als Decken. An den Wänden hingen einige Gefäße. Die Tür war mit Halteschlaufen verschlossen.

Ein Pfeil landete neben meinem rechten, ein zweiter neben meinem linken Ohr in der Hüttenwand. Eine größere Katze und ein fremdes Tellerauge lauerten seitlich hinter mir, so dass ich sie kaum sehen konnte.

Eine Schlange ließ sich langsam und bedrohlich von den Zweigen über mir herunter. Ihr Kopf pendelte züngelnd vor meiner Nase. Ihr dünner werdendes Hinterende bildete einen Haken um einen der Zweige, eine Haltung die sie sehr plötzlich aufgeben mochte. Wie ich wohl wusste, beherrschte sie eine effektive Technik des Zusammenringelns in dem Augenblick, in dem sie an meinem Brustkorb vorbei fallen würde.

Nun, die Pfeile waren das Wichtigste und Gefährlichste. Wer immer im Dunkel des Dickichts weilte, hatte bestimmt einen dritten Pfeil auf der Sehne, der genau auf mein Herz zielte. In zivilisatorisch verbildeter Naivität, oder besser gesagt: gar nicht, hatte ich mich auf dieses Treffen eingestellt. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich anderen Menschen hier begegnen musste. Mit allem hätte ich gerechnet, nur nicht mit einer feindseligen Haltung. Bei genauerer Überlegung war es jedoch die zu erwartende Reaktion in einer als feindlich erlebten Umwelt.

Ich hielt also die Hände hoch und drehte mich langsam in die Richtung, aus der die Pfeile gekommen waren. Damit wollte ich zeigen, dass ich keinen Angriff plante. Zunächst sah ich niemanden. Erst als mein Blick höher wanderte, sah ich ein Augenpaar hinter einer Pfeilspitze.

In diesem Augenblick ringelte sich die kleine Viper aus meinem Jagdbündel, stellte sich auf und pendelte hin und her. Ich rief: "Clara!", einfach weil ich fürchtete, die kleine Schlange könnte nun ihrerseits angreifen und damit einen Kampf herauf beschwören. "Clara" rief ich erneut, "lass' es!".

Aus dem Schatten vernahm ich die Stimme einer Frau: "Wetu? - Wetu Eleanor?".

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