Zeit-Myzel, Seite 66

Sie war die Tochter von Kanem Tropa und Kira Leonir und hatte selbst den Zweitnamen Eleanor (die Strahlende, was ich als für sie durchaus angemessen empfand) angenommen, wie es Sitte war. Clara erlebte jetzt ihren zweiten Sommer (nach meiner Rechnung war sie also 18 vielleicht 19 Jahre alt).

Kanem Tropa hatte einen Freund. Mit dessen Sohn Larkal war Clara verheiratet worden, als sie noch Kinder waren. Larkal war schon als Junge aggressiv und wollte immer bestimmen, was gespielt wurde. Als er zu Kraft gekommen und mannbar geworden war, zeugte er den Jungen, den ich zusammen mit Clara "gesehen" hatte, als sie verletzt war. Clara konnte ihrem Mann nichts recht machen, so sehr sie sich auch bemühte. Larkal selbst verließ sich ganz auf das Jagdglück anderer, pflegte auch die Pflanzungen nicht, rauchte und schwatzte lieber mit den anderen Männern. Schließlich befreundete er sich mit der Tochter des Häuptlings, was ihm im Stamm einige Vorteile bescherte.

Clara suchte und fand Freundschaften in ihrer Nachbarschaft. Sie und ihre Nachbarn besuchten sich gegenseitig. Das war gegen Ende des Frühlings. Ein Mann gefiel ihr besonders gut: Wetu Eleanor, der Sohn einer Freundin ihrer Mutter Kira Leonir (der Löwenherzigen). Dieser Wetu hatte den Zweitnamen "Eleanor" nur relativ zufällig gewählt. Larkal traf, als er sich zufällig mal zu Hause aufhielt auf diesen Wetu und erschlug ihn auf der Stelle ohne ein Wort. Clara sprang auf, griff sich Bogen und Pfeile und floh aus der Hütte. Ihren kleinen Sohn, der vor der Hütte im Sand spielte überließ sie der Nachbarin.

Was immer gewesen sein mochte, Clara beteuerte, es sei nichts passiert: Larkal hatte einen Vorwand, seine nicht geliebte Frau ebenfalls zu töten. Doch Clara war eine extrem begabte und im Übrigen geübte Bogenschützin im Gegensatz zu Larkal, dessen müßiges Leben sich bei diesem Kampf rächte. Clara wurde zwar durch seine angespitzten Stöcke erheblich verletzt, vermochte sich jedoch von ihrem Angreifer zu lösen, den Bogen in Stellung zu bringen und ihren Mann tödlichen zu treffen. Larkal, ins Herz getroffen, konnte sich nicht einmal mehr wundern, dass er sein Ziel nicht erreicht hatte.

Den Freund der Häuptlingstochter zu töten, würde der Stamm ihr nie verzeihen, gleichgültig was die Gründe waren. Clara hatte deshalb in der Nähe des Kampfplatzes die Dunkelheit abgewartet. Sie hatte ihren kleinen Sohn, der inzwischen von ihrer Freundin betreut worden war, abgeholt und war aufgebrochen in Richtung des Dickichts, das sich vom Buschland am Gebirge vorbei bis zum Ozean erstreckte.

Sie entdeckte bei sich die seltene Fähigkeit, mit Wesen anderer Art in Kontakt treten zu können. Diese Fähigkeit besaßen einige Menschen. Deshalb suchten einige Tiere während der langen Winter die Nähe gerade dieser Leute. Gewiss, einige Artgenossen wurden verspeist. Doch im Gegenzug sorgten die Menschen dafür, dass die Art Kälte und Schnee überlebte. Tier und Mensch bildeten eine Symbiose - eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft.

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