Zeit-Myzel, Seite 102

In der Dämmerung zogen wir alle aus, um zu jagen. Die Frauen und die beiden jüngeren Söhne von Jakat, Helun und Zitrok, bildeten die Nachhut und sammelten zugleich frische Sprosse der Kevol-Pflanze. Dies war bei dem abnehmenden Tageslicht zwischen den Wänden von Claras Pfaden nicht ganz einfach, und mancher Trieb anderer Pflanzen wanderte in ihren Korb.

Tagong führte unseren Trupp an. Ich hielt mich mit "meinem Tellerauge" ein Wenig im Hintergrund. Heute waren auch unsere Insekten mit von der Partie. Wie aus dem Nichts landete Wibra, die Riesenlibelle, elegant auf meinen Kopf nicht ohne durch ihr raschelndes Brummen, unsere neuen Jäger zu alarmieren. Anhand der mir übermittelten Bilder war ich sicher, dass auch Schregg irgendwo in der Nähe steckte. Irgendetwas ging vor zwischen Claras Pfaden. Ich spürte die Unruhe der Tiere. Auch Tagong vor mir wurde plötzlich vorsichtiger, zeigte mit der Hand auf den Boden, dass wir uns hinkauern und still sein sollten. Außerdem schickte er Talrin zu unserer Nachhut. Seltsamerweise folgte der Junge ohne unwillige Gesten oder Widerspruch. Fast ohne Geräusche schlich er an mir vorbei zu seiner Mutter und den anderen. Die Libelle auf meinem Kopf schien Talrin wieder zu erkennen; denn sie drehte sich trippelnd so, dass sie den Jungen ansehen konnte.

Ich konzentrierte mich auf die Bilder von Schregg und den Telleraugen. Aber nichts Verdächtiges näherte sich uns, wenn man einmal von einigen Beutetieren absah. Tagong hatte gerade eine Stelle erreicht, über der eine fallende Schlange lauerte. Ich schnalzte mit der Zunge und zeigte nach oben. Tagong reagierte richtig, sprang zurück, und vor ihm landete der unvorsichtige Räuber, bekam einen Schlag auf den Kopf und landete in Tagongs Jagdbeutel.

Ich reichte ihm einen neuen und beförderte die Beute "nach hinten" zu den anderen.

Auf einer kleinen Lichtung rund um einen Baum der heilenden Blätter griffen uns gleich sechs der kleinen Flugsaurier an. Sie hatten auf dem Baum gewartet und segelten nun im Sturzflug auf je eine Person zu. Niemand konnte im Augenblick einem anderen helfen, jeder musste sich mit einem der Angreifer auseinandersetzen. Talrin hatte sich rechtzeitig unter einem der Büsche versteckt. Für Erwachsene reichte die Deckung leider nicht. Als erster stürzte Claras Angreifer zu Boden. Tagong und meiner folgten unmittelbar. Ehe ich wieder einen Pfeil auf die Sehne legen konnte, war Helun umgerissen worden. Was weiter mit ihm geschehen war, konnte ich im Augenblick nicht erkennen. Da Jakat auf ihren Sohn starrte, schossen Clara und ich auf den Angreifer Jakats. Zitrok erledigte das auf ihn zufliegende Tier mit einem wunderbaren, wohl überlegt abgeschossenen Pfeil. Tagong verteidigte nun seinen Bruder Helun. Denn jener Saurier, der Helun umgerissen und gebissen hatte, war nun zurück und hackte auf seine Beute ein. Helun schrie seine Schmerzen in die sich ausbreitende Dunkelheit. Tagon riss das Tier mit bloßen Händen zur Seite. Clara machte dem Spuk durch einen sorgfältig gezielten Pfeil ein Ende.

Helun blutete stark aus mehreren Wunden. Fetzen hingen an seinem Brustkorb und im Bereich seines Magens. Als er aufhörte, zu schreien, lief es mir kalt den Rücken herunter. Es war ein verhängnisvoller Fehler, die Jagd in der Dunkelheit so lange fortzusetzen. Ohne mich um Tagong und die anderen zu kümmern, hob ich Helun auf und trug ihn zu dem Baum der heilenden Blätter. Glücklicherweise konnte ich mit Hilfe von Tellerauge ein großes Blatt finden, das bereits auf dem Boden lag. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte ich versehentlich auf dessen Rand getreten.

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