Zeit-Myzel, Seite 105

Plötzlich erwachte ich aus Traumbildern meiner fernen Vergangenheit. Ich befand mich in einer großen Stadt und stand vor einem Gebäude, dessen weiter Eingang unter einem runden Dach lag, das hier durch Säulen gestützt war. Zwischen den Säulen huschte ein Schatten, vor dem ich mich vorsehen musste. Immer wieder tauchte er auf. Ich flüchtete hinter die nächstliegende Säule und wagte nicht zu atmen.

Es kratzte an meiner Hütte. Dann schlich etwas im Inneren herum. Plötzlich erschien aus dem Dunkel das Bild Claras, die sich von einer Art Wiesel - einem Beißer, nach meinen Stammes-Erinnerungen - in die Ecke gedrängt sah. Dort kauerte sie und streckte die Zunge heraus. Talrins Viper, die er wohl hier gelassen hatte, hatte sich mit ihren Bildern an mich gewandt. Nicht nur die Viper war in Gefahr. Beißer rissen auch Menschen im Schlaf beträchtliche Stücke der Haut und des Muskelgewebes aus Armen und Beinen. Solche Bisse führten zu hohem Blutverlust und zu lebensgefährlichen Infektionen. Bei Tagong und den anderen hießen Infektionen zwar 'die Dämonen der Tiere'. In beiden Fällen war nichts Gutes zu erwarten.

Ich griff nach der kleinen Schlange und steckte sie so unter meine Kleidung, dass sie die Umgebung sehen konnte - und ich durch sie. Es war nicht das perfekte, auf meine Person umgerechnete Bild, welches die Telleraugen sendeten, aber für meine Flucht würde es vollauf genügen. Ich stand vom Lager auf, tappte zur Tür, öffnete sie und ging in den Nebel hinaus. Ich drehte die Viper so, dass ihr Blick auf die offene Tür fiel. Doch leider war das "Wiesel" nicht gewillt mich oder uns zu verfolgen, sondern betrachtete die Hütte mit ihren Vorräten nun als Eigentum.

Die Gestalt Claras nahm nun einen Stock aus der Ecke und schlug auf das Tier ein. Die Idee war nicht schlecht, nur gab es keinen Stock in der Hütte! Die Viper musste das Problem wohl auch erkannt haben, denn sogleich bedrohte Clara das Wesen mit Pfeil und Bogen. Ich erinnerte mich daran, dass Zar, Clara Eleanors fallende Schlange, noch irgendwo sein musste. Mir war nur nicht klar, ob fallende Schlangen bei dem Nebel und der Kälte hinreichend aktiv sein und angreifen können. Ich stieß den Lockruf für Zar aus, ein lang gezogenes, scharfes, moduliertes "ß-s-ß". Die kleine Clara-Schlange ließ die weibliche Gestalt in schlängelnde Bewegungen verfallen und auf den offenen Eingang der Hütte zu kriechen. Das Wiesel sprintete aus der Hütte. Zar reagierte zwar kaum, aber ihr Erscheinen hatte die durchaus erwünschte Wirkung.

Allerdings sauste das Tier jetzt zu Tagongs Hütte und verschwand im Inneren. Ich schlug nur gegen die Hüttenwand und rief Tagong zu: "Raus! - ein Beißer!". Im gleichen Augenblick flog die Tür auf und Tagong erschien schlaftrunken vor seiner Hütte. Claras Schlange kam nun hierher, schlängelte sich durch den Eingang der Hütte und verschwand.

Es quiekte kurz, dann herrschte Ruhe. Als ich nach geraumer Zeit nachsah, hatte sich Zar auf Tagongs Schlafplatz aufgerollt und eine auffällige Verdickung unmittelbar hinter ihrem Kopf. Ich war fast sicher, dass Tagong von alledem fast nichts mitbekommen hatte; denn er wollte sich wieder hinlegen. "Du wirst heute Nacht Dein Lager mit Zar teilen müssen", sagte ich. "Warum?" fragte er zurück. "Weil Zar auf Deinem Bett liegt und schläft", gab ich zur Antwort. Er grunzte ärgerlich nur etwas Unverständliches, und ging dann in die dritte Hütte, verrammelte deren Eingang und stopfte alles Mögliche in die Türritzen. Da ich nichts mehr für ihn tun konnte, machte ich noch die Tür zu jener Hütte zu, wo jetzt Zar lag, und zog mich in Claras und meine Hütte zurück.

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