Die Sphäre (Zeit-Myzel, Seite 32)

Gehorsam und ganz langsam öffnet sich jenes runde Loch, durch das wir eingetreten sind, Fauch und ich. Das beruhigt mich und ich schaue nach draußen. "Plopp", macht es, und die Öffnung hat sich wieder geschlossen.

Ich finde mich in einem Straßenbahnwagen wieder, der als U-Bahn verkehrt. Gelegentlich kommt ein heller Bahnsteig in Sicht, die Türen öffnen sich, Leute steigen aus und andere wieder ein. Die Türen schließen sich wieder. Ich höre meine Großmutter, wie sie mir ins Gewissen redet: "Wahres Heldentum ist, das nicht zu tun, was alle tun.", oder: "Es wird nichts besser dadurch, dass es andere auch machen!". Dann erlebe ich die erste Begegnung mit meiner späteren Frau. Ich sehe uns in einem Flieger über den Wolken. Es wird Nacht, und der Pilot erklärt uns, dass er einen kleinen Umweg über Paris fliegt. Der Anblick ist atemberaubend. Wie eine kunstvolle Stickerei ziehen sich die Straßen durch das samtene Schwarz der Landschaft. Die Straßenlaternen sehen aus wie Stecknadeln. Bald darauf sitze ich auf meinem Fahrrad und hoppele den Weg zum nächsten Schwimmbad, meine Schwester und meine Mutter hinter mir. Ein Krachen, ein Schurren, dann ein Schrei und das Weinen meiner Schwester. Sie ist gestürzt. Ihre Nase steht sichtbar schief im Gesicht. Zwischen allen diesen Bildern und Einzelheiten ertönt ich ein Stimmengewirr.

Plötzlich erstirbt das Chaos in meinem Schädel. Aus der Decke stülpt sich ein Fühler wie bei einer Weinbergschnecke. Am Ende schlüpft ein Auge heraus und blickt mich direkt an. Offenbar, weil wir und ruhig verhalten, schiebt sich noch ein zweites Auge aus der Decke. Der Blick gilt erst mir, dann Fauch und konzentriert sich schließlich wieder auf mich. Ich winke mit den Handflächen nach außen. Fauch schnurrt - ein Zeichen, dass wir nichts zu befürchten haben.

Eine Art Lippe öffnet sich. Dahinter ist dunkelrot eine Membran zu erkennen. Die Membran beginnt zu sprechen: "Willkommen, ich bin "Polyt; du bist Wetu Eleanor und der Panther da ist Fauch - richtig?" - "Richtig!" bestätige ich. "Woher weißt du das alles Polyt"? - "Ich habe deine Gedanken und Erinnerungen durchstöbert, um mit dir sprechen zu können. Geht nicht anders!" schallt es aus der Membran. "Nach deinen Begriffen bin ich ein Lebewesen. Ich bin eine einfache Qualle nur ein Bisschen größer als in deinen Erinnerungen." - "Nun, äh, du bist riesig, wie vieles hier in dieser Welt. Und 'einfach' ist wohl eine starke Untertreibung.", wage ich einzuwerfen. "Ich bin sehr bescheiden." meint die Qualle. "Was machen wir jetzt?" fragt sie. Ja, was machen wir jetzt? "Bevor wir 'etwas machen', kannst du mir erklären, wie ich und meine Erinnerungen hierher kommen; und, wo wir schon so schön beieinander sitzen, wo du herkommst?"

Polyt erklärt mehr oder weniger verständlich, wie sie selbst "entstanden" ist, nämlich tatsächlich aus Quallen-Vorläufern dieser Welt und das schon vor undenkbarer Zeit. Sie kann Passagiere aufnehmen und übers Meer tragen, sie ernähren und belüften. Einige Zeit, schafft sie es auch über das Land, muss aber nach zwei Stunden immer wieder zurück zum Meer, zum Salzwasser. "Wie hoch kannst du steigen?", will ich wissen. "Sehr hoch!" lautet die Antwort. "Und ich kann sehr tief ins Wasser, so tief, dass du das nicht überleben würdest - der Druck unter Wasser, du verstehst!". Ja, ich verstehe! Der Druck würde mich irgendwann zerquetschen. Würde ich das überleben, so würde mein Blut sieden, wenn wir auftauchen. Auch Fauch würde es nicht besser ergehen.

Ich würde gerne etwas über den Winter erfahren. Aber Polyt erklärt nur, den Winter im Meer zu verbringen. "Geht nicht anders!" schließt dieses unglaubliche Wesen.

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