Zeit-Myzel, Seite 46

Also musste der Weg nach draußen wohl so ähnlich funktionieren wie bei der Sphäre Polyt. Daher sagte ich einfach: "Bitte öffnen!" -

Indem hörte das Nebel-Nieseln auf, die Flüssigkeit sammelte sich am Boden und verschwand unsichtbar. Jetzt konnte ich auch die gefurchte Innenhaut sehen. Eine der Furchen nahe dem Zenit öffnete sich zu einem Schlitz, durch den ich ins Freie schlüpfen konnte.

Das Ei schloss sich wieder, machte sich ganz platt und nahm die Gestalt eines großen Blattes an. Der Stiel, an dem es hing, verkürzte sich, und nach ein paar Minuten, die ich fasziniert zuschaute, hing das ehemalige Ei als ein großes, grünes Blatt an einem dicken, kleinen Baum unter anderen großen grünen Blättern. Ich streichelte über den Baumstamm und sagte: "Danke". Die Blätter schienen ein Wenig zu wackeln, aber das konnte auch der Wind gewesen sein. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo ich mich befand. Jedenfalls hielt diese eigenartige Pflanze mit ihren "heilenden Blättern" eine ganze Lichtung von hundert Schritten Durchmesser frei von dem ansonsten undurchdringlichen Unterholz. Aber ich konnte nirgends einen Durchschlupf entdecken, durch den ich hierher gekommen sein könnte, noch um diese Lichtung zu verlassen.

Plötzlich landete Fauch neben mir mit einem Satz, der die Erde zittern ließ, obwohl sie sich elegant abfederte. Ich war froh, dass ich nicht ihre Nachmittagsportion Fleisch war! Mit ein paar weiteren Sprüngen strebte sie an einen Punkt im Gebüsch,

an dem ich einige Astgabeln entdecken konnte, die bis auf eine Höhe von etwa zehn Schritten führten - jedenfalls, soweit sie einen Menschen tragen konnten.

Ich war ein verdammt erdgebundenes Lebewesen! Aber in der nun erreichten Höhe konnte ich durch beharrliches Klettern und Schwingen vorwärts kommen, was am Boden unmöglich war. Fauch sprang von Ast zu Ast mit einer Leichtigkeit, die ich mir sehnlichst wünschte. Sie legte ein Tempo vor, dem ich nicht einmal im Ansatz folgen konnte. Aber ich hatte nun die Richtung und musste diese nur noch beibehalten. Nach einiger Zeit mühsamer Kletterei in luftiger Höhe ließ sich Schregg sehen. Immer wenn ich das Heupferd fast erreicht hatte, sprang es ein dutzend Schritte weiter und ich folgte brav, weil ich ohne meine Freunde nicht weiter gewusst hätte. Die Kletterei dauerte bis zur Zeit der Abenddämmerung. Dann hatten wir den Küstenstreifen endlich erreicht, wo ich auch meine verschiedenen Utensilien so wieder fand, wie ich sie verlassen musste.

Wie viele Stunden oder gar Tage mochten vergangen sein? Wo war Tellerauge und wie mochte es ihm gehen?

Einen Lichtblick gab es allerdings bei all' meinen Fragen: Die Sphäre Polyt schaukelte sanft in der Dünung des nahen Meeres genau dort, wo sie uns am Abend des Unglückstages eigentlich hätte abholen sollen. Aber was bedeuteten einige Stunden oder Tage in dieser für mich so ungewohnten Welt?

Aufgeschrieben von Ekkard Brewig am 1. August 2007

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