Zeit-Myzel, Seite 49

So kletterte ich also los. Manchmal konnte ich mein Bündel einfach tragen, manchmal musste ich es zum nächsten Haltepunkt werfen, um mich dann selbst dorthin zu hangeln. Manchmal konnte ich richtig von Stange zu Stange gehen aber meistens musst ich viel Armarbeit leisten. Von Zeit zu Zeit musste ich eine Pause einlegen.

Um mich auszuruhen, kletterte ich ein Wenig tiefer bis das Geäst so dicht wurde, dass es mich trug und zugleich eine bequeme Mulde bildete. Eine Fluchtmöglichkeit aus dieser Lage gab es nicht, also machte ich Pfeile und den Bogen schussbereit. Zusätzlich bewaffnete ich mich mit einem angespitzten Ast. So konnte ich einigermaßen ruhig etwa essen. Ein wenig Wasser fand sich in zahlreichen größeren und kleineren Vertiefungen in den Astgabeln. Allerdings traute ich den Bewohnern dieser Kleinsttümpel nicht. So verkam manche Rast zu einem durstigen Dösen.

Meinen Erbsenvorrat konnte ich hingegen fast beliebig ergänzen. Von hier oben waren die Keulen leicht zu finden. Meinen steinernen Messern hatten die Stiele nichts Ernsthaftes entgegen zu setzen.

So kletterte ich, warf oder schleppte mein Bündel, hangelte und balancierte von Rast zu Rast, bis ich mich von der Sonne weg bewegen musste und der Abend bevorstand. Wie sollte ich hier ungefährdet schlafen?

Ich begann nach einer Stelle im Dickicht zu suchen, die mich wie ein Käfig umgab. Es gab auch hier jene "Schlafbüsche", deren Äste einen sauberen, dicht stehenden Kreis bildeten. Dieser war meist sehr viel weiter als am Boden. Es war daher nicht einfach diesen Kreis einigermaßen abzudichten.

Schließlich fand ich ein geeignetes Exemplar, in das ich allerdings fast nicht hinein gepasst hätte. Es wickelte seine Wurzeln um tiefer stehende Teile des Dickichts und nicht in der Erde. Schließlich gelang es mir, zwischen zwei nicht ganz so widerspenstigen Ästen ins Innere zu schlüpfen. So hüllte ich mich in mein Cape ein, ließ nur die Nase frei und dachte über das Problem der Wasserbeschaffung nach. Ich hatte ziemlichen Durst, weil ich außer dem Tau am Vormittag kein Wasser mehr gefunden hatte, dem ich getraut hatte.

Ich erwachte, weil ich eine weibliche Stimme vernahm, die in der Sprache meiner Erinnerungen sang: Ein Mensch! Eine Frau! Wie elektrisierte schlug ich das Cape zurück, konnte aber in der Dunkelheit nichts und niemand entdecken. "Hallo!", sprach ich in das Dunkel hinein - keine Antwort. In der Ferne hörte ich Schreie, der Wind raschelte in den Zweigen über mir. Fledermäuse - oder was ich dafür hielt - huschten lautlos durch die Dunkelheit. Ein Leuchtkäfer signalisierte Paarungsbereitschaft. Dann sah ich sie - eine kleine Schlange, die sich meinem Käfig näherte und ohne weiteres zwischen den Stäben hindurch passen würde.

Wasser plätscherte irgendwo. Ich stand plötzlich am Ufer eines kleinen Sees. Eine junge Frau neben mir schöpfte Wasser in eine große ausgehöhlte Frucht. Sie plapperte irgend etwas und ich fragte: "Wie bitte?". Sie richtete sich auf, reichte mir eine kleine Kalebasse, lächelte und sagte: "Ich hatte gefragt, ob du auch was trinken möchtest."

Fast hatte ich die Schlange vergessen! "Gerne!" antwortete ich, "aber zuvor habe ich noch etwas zu erledigen!" Ich riss mich von der schönen Szene abrupt los und konzentrierte mich auf den züngelnden Schlangenkopf, der in dem Schattenspiel der Zweige nur sehr schwer auszumachen war.

< zurück | blättern | weiter > Anfang | Home