Zeit-Myzel, Seite 52

Nun saß Schregg also da und ließ seine Antennen rotieren, vibrieren und auf- und abwippen. Dem Spiel der langen Fühler folgte ein Strom von Bildern. Ich bemerkte kleine und große Baumfrösche. Käfer schützten sich unter Blättern vor den Wassertropfen. Überall krabbelten Maden und Ameisen, manchmal auch Ameisen mit Maden. Ganz in meiner Nähe lauerte eine kleine Schlange auf Beute.

Schregg sprang plötzlich über mich hinweg zur anderen Seite. Als ich wieder in die alte Richtung blickte, sah ich gerade noch, wie nämliche kleine Schlange in meinem Jagdbündel verschwand. Schregg musste sich wohl bedroht gefühlt haben. Da ich mich jetzt auf die Schlange konzentrierte, verblassten die Bilder von den vielen Lebewesen in meiner Umgebung, um einem golden schimmernden Bild aus dem Inneren meiner Jagdtasche Platz zu machen. Jedes Detail war gut zu sehen und natürlich auch das darin untergetauchte Reptil.

Das Mädchen Clara presste sich an eine Felswand. Rechts und links versperrten dichte Büsche die Fluchtwege. Vor ihr lauerte das Zerrbild eines Tellerauges: riesiger Kopf, kleine dolchbewehrte Greifhände an einem winzigen Körper. Ich konnte fast hören, wie dieses Monster knurrte. Und ich konnte sehen, wie die scharfen Spitzen zwischen den Büschen nach dem Mädchen tasteten. Clara kauerte sich in die entlegenste Ecke ihrer allzu kleinen Falle, zitterte sichtbar und schrie in Todesangst.

Tellerauge

Tatsächlich griff der Arm eines Tellerauges an mir vorbei durch die Gitterstäbe und wühlte in meiner Jagdtasche. Mein Tellerauge? Ich drehte meinen Kopf so, dass mein Blick auf Schregg gerichtet war. Einen Moment später leuchtete golden das Bild der Heuschecke auf. Aber, Schregg wurde in diesem Bild von einer Schlange gebissen. Also war Tellerauge wieder da und verteidigte sogleich Schregg, indem er die kleine Viper zu fangen versuchte. Ein Leckerbissen war sie gewiss für ihn, und viel zu jagen gab es bei dem Regen nicht. Ich überließ mich einem Augenblick dem Bild der jungen, in die Enge getriebenen Frau. Das Bild sollte Tellerauge klarmachen, dass ich die kleine Schlange vielleicht als Freund mitnehmen könnte. Ob er die Botschaft verstanden hatte, war nicht ganz auszumachen, aber er ließ wenigstens die Finger aus der Tasche. Interessanterweise verschloss nun ein großer Busch das Versteck Claras an der Felswand. Ich saß eine Weile still da, freute mich über das Wiedersehen mit meinen Gesellen und hoffte, dass die kleine Viper keinen Schaden anrichtete und keinen erleiden würde.

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