Zeit-Myzel, Seite 59

Das Ziel vor Augen stand ich auf, um dem "weisen Geist" erneut einen Besuch abzustatten. Ich wusste ohnehin nicht, wie ich aus eigener Kraft diese Scheinwelt verlassen sollte, wenn sie nicht gar mehr als Schein war! Damals hatte mich Schregg mit seinem heilenden Sekret in die Realität zurückgeholt. Ich setzte meine Hoffnung erneut auf die Riesenheuschrecke.

Mit diesen Gedanken trat ich in die Eingangsöffnung des großen Pilzes und schob den Vorhang beiseite. Drinnen hantierte der Kobold mit seiner Teekanne. Er hatte zwei große Becher auf den Tisch gestellt, als erwarte er Besuch. "Störe ich?", fragte ich. "Tritt näher!" antwortete er in meiner Sprache. Allein die Nutzung der mir vertrauten Sprache versetzte mich in eine Stimmung von Glück, auch wenn ich die Nebenwirkung der halluzinogenen Pilzdroge fürchtete. Fast zeitgleich ließen wir uns an seinem Tisch nieder. "Tee?", fragte er. "Gerne!" antwortete ich und fügte die Floskel an: "Wie geht es Ihnen?". Nun, Menschen meiner Erinnerung pflegten darauf mehr oder weniger ausweichend zu antworten. Mit viel Feingefühl konnte man daraus entnehmen, dass es mehr oder weniger schlecht ging. Die reguläre Antwort war ein gedehntes "Gut", was meistens das Ende des Dialogs bedeutete. "Na ja, es geht!" war die Umschreibung für "schlecht". Der Weise Geist dieser Welt lachte nur und meinte: "Wir trinken zuerst den Tee, dann erzählst du mir etwas und ich erzähle dir etwas. Dann wirst Du schon sehen, wie es uns geht. "Uns?" wiederholte ich fragend. "Ja - uns! Wart 's ab!"

Der Tee war schwarzer Assam, der noch mit einem mir unbekannten, aber sehr wohltuenden Aroma verfeinert war. Es mochte auch das Aroma des Honigs sein, den wir zum Süßen verwendet hatten. Weiser Geist hatte sich zuerst einen Löffel voll Honig in den Tee gerührt und mir dann das Glas zugeschoben.

Gerne hatte ich zugelangt. So tranken wir also heißen, aromatischen Tee. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein.

Doch mein Bewusstsein arbeitete plötzlich auf Hochtouren: Eine Teekanne aus Metall? Assam-Tee? Metallische Löffel? Tassen aus Keramik? Auf welcher Bühne spielte das Ganze? Jedenfalls gab es zeitliche Risse in dieser Stube. Mindestens Bronzezeitalter und Steinzeit wohnten hier einträchtig beieinander und ihr Besitzer fand daran nichts Besonderes. Auf die Erklärung war ich gespannt.

Aber zuerst musste ich erzählen, was ich inzwischen alles erlebt und herausgefunden hatte. Ich berichtete von der Sphäre Polyt, von den im Meer aufwachsenden Elbenkindern, die von den Sphären zu ihren Eltern gebracht werden, von dem Blitzschlag, der Tellerauge fast das Leben gekostet hätte, von Atros, der dafür sorgte, dass ich die Richtung nicht verlor. Ich ging dann etwas weiter zurück zu den "fallenden Schlangen" und der merkwürdigen Zusammenarbeit der Telleraugen mit den großen Flugsauriern bei der Jagd nach den "fallenden Schlangen". Und ich gab meiner Hoffnung Ausdruck, die Menschen zu treffen, wobei ich auch nicht vergaß Clara zu erwähnen, von der ich annahm, dass sie nicht nur ein Trugbild war, welches die kleine Viper in meiner Jagdtasche erzeugte und gelegentlich für eigene Zwecke einsetzte.

"Du hast vergessen, dass du selbst geheilt wurdest", sagte der Weise Geist. "Du hattest die Wunden und die Schmerzen deines Tellerauges auf dich genommen, weil du dich an den Vorgängen schuldig gefühlt hast. Dies war insofern wichtig und richtig, als Tellerauge anderenfalls gestorben wäre. Du hättest Deinen treuesten Verbündeten eingebüßt. Nachdem Du das Bewusstsein verloren hattest, war Tellerauge wieder in der Lage, sich selbst zu den Pflanzen mit den heilenden Blättern zu schleppen. Diese haben ihn genau wie Dich gesund gemacht.

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