Zeit-Myzel, Seite 61

Auf dem Boden im "Inneren" und auf den Stöcken selbst breitete ich meine gesammelten Tierhäute aus. Dann wickelte ich mich in einige weitere Felle, kroch in den Hohlraum des Käfigs, verschloss diesen sorgfältig und legte mich zur Ruhe.

Leider verstanden die auch hier im Boden lebenden Hundertfüßler meine Unterlage aus Tierhäuten als Einladung zum Mahl. Als ich die Bewegung unter mir spürte, war es fast schon zu spät für das kostbare Leder. Also musste ich mein schönes Lager aufgeben und mir weiter oben ein neues suchen. Zwei der allzu hartnäckigen Hundertfüßler ließ ich mir schmecken.

Dann packte ich meine Sachen alle wieder zusammen und machte mich auf den Weg nach oben. Dort traf ich das sehr viel schlauere Tellerauge, das mir sofort einen goldenen Rundumblick gewährte. Fast außer Sichtweite sah ich einen geeigneten Käfigbusch, den ich auch gleich ansteuerte. Der war ziemlich groß und bot damit komfortablen Platz für mich und das Tellerauge. Dieses kam allerdings erst, als ich schon eingeschlafen war, kuschelte sich an mich und hielt gebührenden Abstand zur Jagdtasche, in der immer noch die Viper hauste.

Kurz darauf knackte es im Gebüsch und ein Schatten sprang gegen die Äste des Käfigs. Scharfe Krallen schlitzten meine so gehüteten Tierhäute. Tellerauge und ich zogen uns in die gegenüberliegende Ecke des Käfigs zurück. Durch Tellerauges Sehvermögen gewahrte ich eine Art Leopard, jedenfalls eine ziemlich große Raubkatze, die verzweifelt durch die Stäbe langte und nicht wahrhaben wollte, dass sich ihr die sicher geglaubte Beute entzog.

Immer wieder fuhren ihre Krallen durch die den Käfig bildenden Äste. Doch sie war nicht schlau genug, die Stäbe gezielt zur Seite zu biegen. Sie schien durch den ersten Anprall auch ein wenig benommen zu sein. Wahrscheinlich würde sie irgendwann dahinter kommen, wie man doch an uns herankommen konnte, oder sie würde unsichtbar und nur ein paar Klimmzüge weiter oben warten, bis wir die Sicherheit unseres Käfigs verließen.

Wir mussten die Katze entweder loswerden oder ihr eine Gehirnwäsche verpassen. Ich glaubte dem "Weisen der Welt" allmählich, dass ich nicht alle Wesen zu Freunden machen konnte und auch nicht sollte. Was also tun?

Ich schnitt mir einen geeigneten Ast zurecht, was mit meiner Steinaxt einige Zeit in Anspruch nahm. Dann setzte ich Tellerauge auf meine Schultern und ließ ihn knurren und an den Ästen rütteln. Dadurch wirkten wir riesengroß. Ich hoffte, dass wir so vom Beuteschema hinreichend abwichen und zum gefährlichen Angreifer avancierten. Zusätzlich schlug und piekte ich die Katze. Tatsächlich wandte sie sich mit weiten Sprüngen von Ast zu Ast zur Flucht. Ich bewunderte die Gewandtheit des Tieres; da gab es trotz der Dunkelheit und der schwankenden Äste keinen Fehltritt, keine Unsicherheit!

Sicherheitshalber band ich meinen Stock in Griffweite an einen Ast, für den Fall, dass es sich der Räuber anders überlegte. Doch der nächste Tag brach an, ohne dass uns jemand oder etwas belästigte. Einen Teil meiner Zudecke musste ich allerdings am nächsten Morgen den Hundertfüßlern überlassen. Der "Leopard" hatte zu gründliche Arbeit geleistet - schade!

Wetu Eleanor, aufgeschrieben von Ekkard Brewig am 8. August 2007

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