Zeit-Myzel, Seite 69

Ich ärgerte mich lediglich, dass ich sie verstehen konnte, aber nichts selbst mitteilen. Ich sann darüber nach, wie ich mit ihr sprechen könnte. Es musste doch einen Weg geben, auch den Sinn gesprochener Worte zu übermitteln?
Ich formulierte den Satz vorweg: 'Die Viper gehört deinem Jungen, aber sie hat auf meinem Weg nach hier auch mit mir Freundschaft geschlossen.' Ich beabsichtigte gestenreich zu sprechen und dabei den Klang ihrer Sprache nachzuahmen, wie ich ihn beim Zuhören ihres Berichtes erfahren hatte. Etwas ganz und gar Erstaunliches passierte: Statt der Worte aus der Sprache meiner Erinnerungen fielen mir ganz andere ein und kamen aus meinem Mund während ich entsprechend gestikulierte. Auch Satzbau und Reihenfolgen waren anders, als ich begann, mir selbst zuzuhören, wie ich es vorher bei Clara getan hatte. Was ich tatsächlich sagte, war: "Giftschlange kleine", ich zeigte auf die Viper am Knöchel des Knaben, "gehört Sohn deinem", ich wies auf Clara, dann auf die Brust des Kindes. "Schlange kleine Freund mir Weges Hütte Claras." Dabei ließ ich meine Finger der einen auf dem Handteller der anderen Hand laufen, kreuzte dann die Arme vor meiner Brust und verbeugte mich in Richtung der Schlange.

Zum ersten Mal sah ich das hübsche Gesicht Claras lächeln. Ich hätte wegschmelzen können! Sie sagte in ihrer Sprache: "Danke, jetzt ich weiß!"

In diesem Moment wurde über dem Wasser ein raschelndes Brummen immer lauter. Tatsächlich tauchte Wibra, die Riesenlibelle über der fast schwarzen Wasserfläche auf und landete auf meinem Kopf. Wir waren vollzählig für eine zünftige Jagd, wenn man von Atros einmal absah. Aber auch der Drache mochte sich irgendwo auf einem der riesigen Bäume aufhalten. Wer wusste schon, was die Drachen nachts machen?

Ich griff nun zu meinen Sachen vor allem meinem Bogen und den Pfeilen, schulterte alles und schaute zu den Tieren. Die Telleraugen waren jetzt hellwach und zu allem bereit, was Futter bedeuten konnte. Als erstes holte Wibra mit Hilfe der Telleraugen einige Prachtexemplare von Fischen aus dem Wasser. Alle wurden schon nach kurzer Zeit satt. Nur Schregg mümmelte Blattwerk weiter oben. Als Pflanzenfresser fand er ohne Mühe immer irgendetwas Essbares.

Unsere Fischreste alarmierten ganze Scharen von den fetten Hundertfüßlern im Boden. Wären da nicht meine alten Erinnerungen, ich hätte sie als Delikatesse genossen. Clara und ihr Sohn hatten dieses Problem nicht.

Plötzlich verließ Wibra den Wasserspiegel und verschwand oben im Dickicht. Es dauerte nur wenige Augenblicke, als sowohl die Telleraugen als auch die Katzen behände folgten. Immer wieder wurde mir bewusst, wie bodengebunden wir Menschen waren. Jedenfalls fiel nach einem heftigen Geraschel ein kleiner Flugsaurier aus dem Gebüsch. Da wir Menschen inzwischen satt waren, überließen wir den Tieren ihre wohlverdiente Beute.

Für uns Menschen war inzwischen die Zeit der Nachtruhe angebrochen. Der Knabe schlief bereits in den Armen seiner Mutter. Zwischen unseren Füßen räumten die Hundertfüßler noch eine Weile auf und verschwanden schließlich.

Ich zeigte auf das schlafende Kind und fragte: "Sohn Name?" und Clara verkündete stolz: "Talrin! Zweitname nicht wählte jetzt." Ich nickte dankend und folgte dem Klang des Wortes "Talrin", konnte aber nichts Entsprechendes finden. Darum fragte ich: "Talrin bedeutet?", wobei ich mich der fremden Sprache überließ.

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