Zeit-Myzel, Seite 83

In diesem Durcheinander näherte ich mich Jakat, die gegen mich prallte, den Blick auf die gefährlichen Ungeheuer gerichtet. Den von mir entbotenen Stammesgruß: "Gesundheit und langes Leben!" nahm sie erst mit großer Verzögerung wahr. "Danke, Gesundheit und ein langes Leben!" murmelte sie die Antwort. Wer bist du denn?" zischte sie und versuchte Blickkontakt mit ihren Söhnen aufzunehmen. Diese aber hatten nur Augen für die Drachen. Ich nutzte die Gelegenheit, die Hütte zwischen uns zu bringen. "Ich muss zuerst mit dir allein reden!", verlangte ich. "Aber die Bestien haben schon meinen Mann gefressen!", raunte sie mit vibrierender Stimme. "Nein, die werden deinen Kindern nichts tun. Sie sind meine Freunde!" Jakat starrte mich an, als sei ich ein Gespenst mit übernatürlichen Kräften. "Dann bist du ein Woschat! - Bitte verschone uns!" Das Wort 'Woschat' konnte ich nicht gleich einordnen. Mir fiel nach zwei tiefen Atemzügen ein, dass der Schamane einmal von einem Woschat gesprochen hatte, als es um eine Frau ging, die sich mit Tieren verständigen konnte - und ich wusste sogar, wer diese Frau war: Clara Eleanor. "Ja", sagte ich, "ich bin tatsächlich ein Woschat, genau wie Clara Eleanor."

Die Augen von Jakat weiteten sich, was ich ohne Tellerauges Hilfe in der Dämmerung nicht bemerkt hätte. Also kannte sie Clara. Ich fragte direkt: "Seit ihr gekommen, den Tod Larkals zu rächen?" Die Frau warf sich vor mit auf den Boden und murmelte: "Nein, o Woschat, wir werden verfolgt, genau wie die Eleanor. Schlimm, dass deine Untiere dort", sie zeigte auf die fürchterlichen Schatten der Drachen mir Hanak genommen haben. "Ich konnte es leider nicht verhindern. Damals gehörte jener Drache noch nicht zu meinen Freunden!" sagte ich in bedauerndem Tonfall.

In diesem Moment sah ich einen weiteren Mann am Strand entlang auf uns zu laufen, die Sehne seines Bogens gespannt mit einem aufgelegten Pfeil. Er war noch nicht in Schussweite, außerdem schaute er zwischen den Drachen und der Hütte hin und her. Offenbar verwirrte ihn die Szene. Hinter ihm schlichen auf leisen Pfoten unsere beiden Raubkatzen, geduckt und zum Sprung bereit.

"Wer ist jener Mann dort am Strand? Schnell!" flüsterte ich. Jakat blickte in die angegebene Richtung, sah aber nur einen Schatten. Plötzlich schrie sie auf und fügte leise hinzu: "Woschat, was machst du mit mir? Das ist der Jäger Lohaman. Der Häuptling hat ihn geschickt, uns zu finden und zurück zu bringen, tot oder lebendig - also tot." Die Schultern Jakats zuckten, sie verbarg das Gesicht in den Händen.

"Geh' zu deinen Kindern", sagte ich, "hier seid ihr in Sicherheit, soweit es in unserer Macht steht. Clara und Talrin sind auch hier." Jakat schlich um die Hütte herum und rannte dann zu ihren Kindern. Alle vier versteckten sich so gut es ging unter den ersten Zweigen des ansonsten undurchdringlichen Bodendickichts.

Die Drachen drehten sich nun gemächlich in Richtung des Mannes, der sich so mutig näherte. Doch dumm war der Bursche nicht. Er erkannte die Gefahr durch die schwarzen Giganten, die sich gemeinsam zu ihm gewendet hatten. Das war derart ungewöhnlich, dass er seitlich auswich und im dichten Buschwerk verschwand. Die beiden dunklen Schatten hinter ihm hatte er nicht bemerkt und auch ein dritter nun folgender Schatten musst ihm entgangen sein. Ich empfing klare Bilder von seinem Aufenthaltsort. Ruhig, fast gelassen verharrte er unter und zwischen starken Ästen, von denen er wahrscheinlich annahm, dass sie ihn vor den gierigen, fliegenden Ungeheuern schützen würden.

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