Zeit-Myzel, Seite 93

Tagong ließ seine Waffe demonstrativ sinken und schubste den Pfeil in seiner Hand heftig in den Köcher zurück.

Im Gegensatz zu den jungen Jägern, liebte ich die riesigen Drachen. Und ich bildete mir ein, dass sie ebenfalls Freunde sein wollten zumindest, soweit es Clara, Talrin und mich betraf. Obgleich es keiner Gesten bedurfte, klatschte ich mit den Händen. Vier große Köpfe mit langen, scharfen Schnäbeln schauten in einiger Entfernung aus dem bleigrauen Wasser, in dem sich einige wenige Wolken spiegelten. Die beiden männlichen Tiere namens Atros klapperten mit den Schnäbeln und die etwas kleineren Weibchen antworteten. Das Geklapper hörte sich an, wie bei verliebten Störchen nur lauter und langsamer. Ich klatschte nochmals mit den Händen. Einer der männlichen Riesen bewegte sich langsam zum Ufer. Tagong starrte missmutig auf das Monster, neben dem wir Menschen wie Zwerge wirkten. Schließlich stemmte Atros seinen massigen Körper aus dem Wasser, breitete seine Flughäute aus und schüttelte sie. Der Luftzug warf Tagong um, und der schaute daraufhin noch finsterer.

Ich hielt dem Riesen nun eines unserer Tragnetze hin. Folgsam steckte er seinen Kopf durch die Tragschlaufen. Das Ganze rutschte über seinen Hals bis zum Ansatz seiner Brust. Nun konnten mindestens zwei Menschen in das Netz klettern und sich sicher im Fluge festhalten. Clara und Talrin machten den Anfang, um zu zeigen, wie man es macht. Clara klatschte gegen den stämmigen Hals, und Atros rannte am Ufer entlang, breitete die Flügel aus und erhob sich in die Luft. Nach einer kleinen Runde über den See landete er spritzend im seichten Wasser, lief noch ein paar Schritte, wobei er die Flügel gegen die Luft stemmte und blieb schließlich vor Tangong und mir stehen.

Clara kletterte aus dem Netz. Nun startete Atros erneut und verschwand weit oben im Blau des jungen Morgens. Sonnenlicht blitzte zu uns herunter, als es an den feuchten Flanken der Riesenechse reflektiert wurde. Talrin winkte; dann verschwanden die Beiden irgendwo über dem Wald.

Ich bat nun, dass Clara, Jakat, Helun und Zitrok jeweils begleitet von einem unserer Tiere in der weiteren Umgebung Stellung zu beziehen, um notfalls zu helfen, falls jemand bei den Flugversuchen ins Wasser fallen würde oder sich dort retten musste.

Ich versuchte in dieser Zeit Tagong zu erklären, dass er keine Angst haben durfte und dass er zumindest zu einem der Tiere eine Art Freundschaft entwickeln musste. "Du bist verrückt!" sagte er mir immer wieder. "Diese Monster fressen unsere Kinder, das habe ich selbst gesehen. Ich hasse sie und werde nie - nie - nie ein Freund von ihnen werden!" Ich versuchte ihm zu erklären, warum die Drachen die Menschen und ihre Kinder essen. "Sie essen, was sie für Beute halten, genau wie wir die fetten Hundertfüßler, die kleinen Flugsaurier oder anderes Getier". Er entgegnete immer nur wieder: "Das ist etwas anderes!" Nach heftigem Disput einigten wir uns, dass er wenigstens mit mir zusammen einen Versuch wagen wollte. Aber nur einen einzigen.

Er zuckte zusammen, als einer der weiblichen Drachen sich klatschend und spritzend aus dem Wasser heraus löste und sich mit einer sprühenden Schleppe in die Lüfte erhob. Ich bewunderte, mit welcher Eleganz und Kraft diese Wesen sowohl das Wasser, das Land und die Luft beherrschten. Es dauerte nicht lange, und auch sie war unseren Blicken entschwunden. Immerhin staunte auch Tagong. Den Start eines Drachen aus dem Wasser heraus, das hatte er wohl noch nie gesehen.

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